SO GEWAGT WEIST UNS BENTLEY DEN WEG IN DIE ELEKTRISCHE ZUKUNFT

Bentley macht es der eiligen Elite nicht leicht in diesen Tagen. Denn erst steigt der größte Zwölfzylinder-Produzent freiwillig vom Thron und opfert den famosen W12-Motor auf dem Altar der Political Correctness, und jetzt biegen die Briten auch noch auf die Electric Avenue ein.
Zwar lassen sie sich dabei ein bisschen mehr Zeit als ursprünglich geplant und gönnen den verbliebenen Verbrennern mit Plug-in-Bausteinen ein paar weitere Jahre. Doch schon 2026 soll als – nun ja – kleines SUV unterhalb des Bentayga das erste vollelektrische Auto der Luxusmarke kommen.
Und als wäre das für die Vollgasfraktion nicht schon verstörend genug, hat Bentley jetzt zur Eröffnung seines neuen Designstudios zur Einstimmung darauf die Studie EXP15 gezeigt, die zumindest den Skizzen nach erschreckend stark an jene skurrilen Jaguar-Konzepte erinnert, mit denen die Konkurrenz aus Gaydon ihre Wiederauferstehung feiern will.

Bentley EXP15 mit beleuchtetem Frontgrill

Hier wie dort gibt es einen beleuchteten und mehr oder minder rechteckigen Grill, an den sich eine schier endlos lange Haube anschließt – nur dass bei Bentley dann auch noch eine unkonventionell geschnittene Kabine folgt, die in einem Stummelheck ausläuft. Immerhin – so viel Tradition muss sein – gibt's dort wie bislang schon als Option im Bentayga unter der großen Klappe zwei ausfahrbare Ledersessel fürs Premium-Picknick.
 
Die Kabine selbst ist so ungewöhnlich wie die gesamte Studie. Denn nicht nur, dass es auf der Fahrerseite lediglich eine und auf der Beifahrerseite zwei Türen gibt, die ohne B-Säule gegenseitig angeschlagen sind. Nein, die Briten beschränken sich zudem auf drei Sessel und lassen den Platz für den Sozius frei. Dort gibt's ein Schienensystem, auf dem der dritte Sitz die Reihen wechseln kann, sodass kuschelige Nähe entsteht oder wahlweise mehr Beinfreiheit oder Raum für das vielleicht vornehmste Hundekörbchen der PS-Welt.
Aber keine Sorge: Zwar feiern sie die drei Sitze als Reminiszenz an jenen Speed Six, mit dem Woolf Barnato in den 1930ern das legendäre Rennen gegen den Blue Train von Cannes nach London gewonnen hat. Doch ist die ganze Kabine ohnehin nur ein digitales Wunschbild, das in das Tonmodell hineinprojiziert wird und so kaum Chancen auf eine Produktion hat.

"Magic Marvel" zeigt den Akkustand

Das sieht bei anderen Details womöglich ganz anders aus. Die rotierende Toblerone für Navi und Uhr zum Beispiel wandert hinter die Glasabdeckung des Armaturenbretts und macht den Wechsel zwischen digitaler und analoger Welt noch offensichtlicher. Und über der mit einem V-förmigen Zierelement betonten Mittelkonsole thront künftig das "Magic Marvel", ein von innen beleuchtetes Zierelement aus Kristallglas, das die Fahrtrichtung genauso angibt wie den Akkustand des Autos.
 
Während Bentley viel über Auftritt und Ambiente philosophiert, schweigen sich die Briten zum Antrieb noch aus. Doch braucht es für die Eckdaten nicht viel Fantasie. Schließlich wird sich der elektrische Erstling aus Crewe der PPE-Plattform von Audi Q6 e-tron und Porsche Macan bedienen und entsprechend ähnliche Werte aufweisen. Über 600 PS sind deshalb genauso gesetzt wie Spitzengeschwindigkeiten jenseits von 260 km/h oder der 100-kWh-Akku, der für mehr als 600 Kilometer reichen soll.
Bevor jetzt aber ähnlich wie bei Jaguar ein Sturm der Entrüstung über das je nach Perspektive visionäre oder verstörende Konzept hereinbricht, rudert Bentley sicherheitshalber ein wenig zurück. Weder will das Showcar retro sein, nur weil es sich vom Speed Six Gurney Nutting Sportsman Coupé hat inspirieren lassen, noch soll es einen allzu konkreten Ausblick auf den kleinen Bentayga-Bruder geben.
 
Doch so ganz ohne Bodenhaftung ist der Blickfang dann doch nicht: Einzelne Designmerkmale, so lassen die Briten wissen, werden uns genau wie digitale Details und pfiffige Lösungen im Innenraum früher oder später wieder begegnen.

2025-07-08T16:53:51Z