WEST-AUTOS IM OSTEN: SO KAMEN GOLF, CITROëN, VOLVO IN DIE DDR

Erinnern Sie sich noch an das Interhotel Metropol (heute Maritim pro Arte) auf der Ost-Berliner Seite der Friedrichstraße? Ab und zu hatte ich es in den 80er-Jahren als Jugendlicher besucht. Nicht als Gast, sondern wegen der Westautos. Denn wer so ein Gefährt vom Klassenfeind haben wollte und das nötige Westgeld dafür besaß, musste in der DDR hoch hinaus. Ich besaß die Kohle nicht, aber erinnere mich daran, wie ich dennoch mit dem Hotellift nonstop auf die Dachterrasse des Elfgeschossers fuhr, um neugierig die neuesten Modelle von Ford, Citroën bis BMW zu bestaunen. Denn diese standen dort alle auf einem Parkplatz.

Im Oldtimermuseum Culitzsch in Wilkau-Haßlau (Landkreis Zwickau) wird gerade an die Ära erinnert, dass es in der DDR nicht nur Trabis oder Wartburgs nach jahrelanger Wartezeit zu kaufen gab. 20 Modelle sind in der Schau, zu der ein VW Golf, den einst Eiskunstlauf-Olympiasiegerin Katarina Witt ihr Eigen nannte, und ein goldener Mercedes des Rechtsanwalts und DDR-Unterhändlers Wolfgang Vogel gehören.

Das zeigt, nur die wenigsten konnten sich Westautos leisten, von denen es einigen Marken wie der Golf 1, der Citroën GSA Pallas, Volvo oder Mazda auch für DDR-Mark regulär zu bekommen gab. Die Preise waren aber für die meisten DDR-Bürger utopisch hoch. Ich weiß noch, dass der schwedische Volvo in Ost-Berlin auf seinem DDR-Kennzeichen die Buchstaben „IBM“ verpasst bekam. Im Volksmund wurde das Kürzel mit „Ich bin Millionär“ übersetzt.

Doch wie kamen die Fahrzeuge des Klassenfeindes überhaupt in die DDR? Zunächst einmal über den Geschenkdienst „Genex“, der zum DDR-Außenhandel gehörte und 1958 gegründet wurde. Er war einer der wichtigsten Deviseneinnahmequellen. Über Genex konnten Bundesbürger viele Dinge kaufen, die ihre Ost-Verwandtschaft benötigten. Vorausgesetzt, die West-Verwandtschaft war auch bereit, viel Westgeld für ihre Schwestern und Brüder in der DDR auszugeben.

So auch für Westwagen, die ab Mitte der 70er-Jahre in den bunten Genex-Katalogen zum Kauf angeboten wurden. Zu den Fabrikaten gehörten BMW, VW, Renault, Ford oder Volvo. Aber auch Autos aus dem Osten gab es bei Genex für Westgeld. Und wer keine Lust hatte, auf einen neuen Trabi über 15 Jahre warten zu müssen, ließ ihn sich von den Westverwandten für harte D-Mark kaufen, um die Rennpappe sofort zu bekommen.

Und so wurde der Trabant 601, der bei Genex 1967 noch 4.430 D-Mark kostete, auch teurer. 1988 kostete das baugleiche Fahrzeug schon 7.500 D-Mark. Auf normalen Weg soll der Trabi 1989 offiziell um 13.000 DDR-Mark gekostet haben.

Zurück zu den Westautos: Für den Macher der aktuellen Oldtimerschau bei Zwickau hatte es einen ganz einfachen Grund, warum es auch Wagen vom Klassenfeind ab Ende der 70er-Jahre für Ost-Mark in der DDR zu kaufen gab. „Man wollte mit solchen Westmarken vor allem das Antlitz von Berlin internationaler machen“, sagt Autosammler Gerrit Crummenerl.

Mit dem VW Golf 1 fing alles an. Über 10.000 Fahrzeuge kamen 1978 in der DDR an. Und sie wurden nur im Osten Berlins ausgeliefert.

Ich kann mich noch erinnern, wie damals das Westfernsehen berichtete, wie DDR-Bürger in Warteschlangen vor dem Autosalon Unter den Linden standen. Die wenigsten hatte aber das Geld für den Westwagen. Der Golf kostete 35.000 DDR-Mark. Das waren 15.000 Ost-Mark mehr als beim Wartburg und 25.000 mehr als bei einem Trabant. Kein Wunder, dass der VW nicht nur verdienten Arbeitern, sondern auch besserverdienenden Akademikern, Betriebsdirektoren, Handwerkmeistern oder Künstlern angeboten wurde.

Dass der Golf-Strom damals in die DDR floss, hatte einen Grund. Die Autobauer in Wolfsburg suchten weltweit Blechpressen für ihren neuen Kleinwagen. Und die fanden sie günstig in der DDR. Der SED-Staat lieferte nicht nur Werkzeuge oder Briketts, sondern angeblich auch Bratwürste, die es dann in der VW-Kantine gegeben haben soll. Als Zugabe gab es ein Planetarium des VEB Carl-Zeiss Jena, das im Westen gebaut wurde. Waren im Gesamtwert von 80 Millionen Westmark – dafür kam im Gegenzug der VW Golf.

Auch die DDR-Machthaber wollten sich mit Westwagen präsentieren, statt mit den Ost-Luxuslimos Tschaika, Wolga oder Tatra durch die Gegend zu fahren.

So stieg man Ende der 70er-Jahre auf Volvo um. Die Schweden hatten extra einen 240er-Volvo für die DDR gebaut. Nur 135 Fahrzeuge wurden für insgesamt über 100.000 D-Mark geliefert.

Die Volvos für Honi und Co. waren noch spezielle Versionen. Die restlichen Luxusautos aus Schweden fanden bei so manchen DDR-Promi einen Abnehmer. Über 42.000 DDR-Mark soll ein Wagen gekostet haben. Das entsprach das 41-fache eines durchschnittlichen DDR-Monatslohnes, der 1980 bei 1012 DDR-Mark lag. Dazu kamen noch die enormen Kosten für Versicherung und Ersatzteile.

Es dauerte nicht lange, da fand die DDR-Führung in den 80er-Jahren auch Gefallen an den Citroën aus Frankreich. Und das „Volk“ bekam auch was ab.

Bei dem Franzosen lief es ähnlich wie beim VW-Golf. Citroën wollte günstig Gelenkwellen für ihre Autos herstellen lassen. Dafür wurde Ende der 70er-Jahre ein Werk in Mosel bei Zwickau errichtet. Citroën kaufte die Bauteile der DDR ab, die mit den Einnahmen wiederum eine für die DDR gebaute Citroën GSA Pallas-Version kaufte.

Insgesamt 5.500 Fahrzeuge soll es gegeben haben, die in allen Teilen der DDR ausgeliefert wurden. Wie der Volvo soll der Citroën GSA Pallas etwa 42.000 DDR-Mark gekostet haben. Und für den Ost-Markt wurden weitere Modelle gebaut, mit denen die DDR-Machthaber unterwegs waren.

Selbst Autos aus dem Reich der Mitte eroberten den Osten. Der japanische Autokonzern Mazda brachte 1981 seinen Mazda 323 zeitgleich in der DDR und der Bundesrepublik auf den Markt. Im Westen kostete der Kleinwagen etwa 11.000 D-Mark. In die DDR wurden über 10.000 Exemplare vom Mazda 323 geliefert. Der Kaufpreis pro Auto lag beim IFA-Vertrieb bei offiziell 24.600 DDR-Mark.

Angeboten wurde der Mazda DDR-Bürgern, die seit Jahren schon auf ein Auto gewartet hatten. Und so manche griffen zu. Auch mein Zahnarzt hatte dann plötzlich einen Japaner vor der Tür zu stehen.

Aus Frankreich wurden auch Hunderte Autos von Peugeot importiert und über staatliche Stellen etwa an Wissenschaftler und Mediziner verteilt. Angeblich, um ihnen das Bleiben in der DDR schmackhafter zu machen, wie heute Experten berichten. Dabei war auch der Peugeot 305 mit etwa 38.000 DDR-Mark, die er gekostet haben soll, nicht gerade billig – und bestimmt kein Grund, der DDR die Treue zu schwören. ■

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