AUTOINDUSTRIE : CONTINENTAL MUSS 100 MILLIONEN EURO BUßGELD ZAHLEN

Der Autozulieferer hatte bei der Manipulation von VW-Motoren geholfen. Nun will Conti einen Schlussstrich unter den Dieselskandal ziehen – und stimmt einer Millionenstrafe zu.

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat am Donnerstag im Zuge des Verfahrens um Diesel-Abgasmanipulationen ein Bußgeld in Höhe von 100 Millionen Euro gegen Continental verhängt. Das Unternehmen muss die Geldbuße wegen einer fahrlässigen Verletzung der Aufsichtspflicht zahlen. Gegen den Dax-Konzern wurde seit 2020 ermittelt, weil der Verdacht bestand, dass Conti-Mitarbeiter über die Manipulationen von Steuergeräten und Software für den VW-Dieselmotor EA189 Kenntnis hatten.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover bestätigte den Versand des Bußgeldbescheids. „Die Zusammenarbeit mit Continental war sehr gut“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft dem Handelsblatt. Der Zulieferer habe die Vorgänge umfassend mit einer externen Kanzlei aufgearbeitet und den Ermittlern die Erkenntnisse zur Verfügung gestellt. „Vor allem nach den Durchsuchungen lief es besser“, sagte der Sprecher.

Nach Überzeugung der Ermittler wurden ab Mitte 2007 mehr als zwölf Millionen Motorsteuergeräte oder die entsprechende Software von der ehemaligen Continental-Antriebssparte an inländische und ausländische Autohersteller ausgeliefert, darunter unter anderem an den Volkswagen-Konzern für den Dieselmotor EA 189. Die Software-Versionen enthielten laut Staatsanwaltschaft zumindest teilweise unzulässige Strategien.

Zu Beginn des Ermittlungsverfahrens hatte sich die Staatsanwaltschaft sehr unzufrieden mit der Kooperationsbereitschaft des Unternehmens gezeigt und war zu mehreren Razzien ausgerückt. Continental wechselte daraufhin die Kanzlei: Statt Noerr übernahm die US-Kanzlei Skadden Arps das Mandat. Das hat Continental viel Geld gekostet, führte aber offenbar zu einem Abschluss des Verfahrens.

Nach intensiven Gesprächen mit der Staatsanwaltschaft Hannover und eingehender Prüfung werde der Bescheid akzeptiert und auf das Einlegen von Rechtsmitteln verzichtet, teilte Conti mit. Laut Olaf Schick, Vorstand des Ende 2022 neu eingerichteten Ressorts Integrität und Recht, sei es wichtig und im Interesse des Unternehmens, dass ein Schlussstrich unter das Bußgeldverfahren gezogen werde.

Allerdings ist nach wie vor offen, wer für die Strafzahlung von 100 Millionen Euro aufkommen wird. Fakt ist, dass Conti zunächst zahlen wird und bereits eine entsprechende Rückstellung aufgebaut hat. Doch aus Sicht von Conti sei der abgespaltene Antriebsspezialist Vitesco „grundsätzlich verpflichtet“, etwaige Kosten und Verbindlichkeiten aus dem Dieselskandal zu übernehmen. Das sei in der Abspaltungsvereinbarung so festgelegt worden.

Vitesco prüft mögliche Forderungen gegen Continental

Die Verantwortlichen bei Vitesco haben das in den vergangenen Jahren anders gesehen. Seit der Abspaltung von Conti im Jahre 2021 haben beide Seiten mithilfe teurer externer Anwaltskanzleien versucht, die zu erwartenden Strafzahlungen auf den jeweils anderen Konzern abzuwälzen. Vitesco begrüße, dass das gegen „Gesellschaften der Continental-Gruppe gerichtete Verfahren der Staatsanwaltschaft Hannover einvernehmlich beendet wurde“, teilte das Unternehmen nun auf Anfrage mit und fügte hinzu, dass Vitesco an dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Hannover nicht beteiligt gewesen sei.

Die ehemalige Antriebssparte von Continental werde die „Sachlage sowie Angemessenheit und Rechtmäßigkeit möglicher Forderungen dem Grunde als auch der Höhe nach“ sorgfältig prüfen. „Wir werden den Vorgang erst nach Abschluss dieser Prüfung kommentieren“, teilte das Unternehmen mit.

Strafrechtliche Ermittlungen gegen zahlreiche individuell Beschuldigte werden dagegen fortgesetzt, auch wenn die Zahl inzwischen deutlich gesunken ist. Aktuell werde das Verfahren noch gegen 39 Beschuldigte geführt. Gegen vier Beschuldigte wird wegen des Verdachts der Untreue, gegen zwei wegen des Verdachts der Beihilfe zur Untreue und gegen 33 Beschuldigte wegen des Verdachts der Beihilfe zum Betrug ermittelt. Ursprünglich waren 61 Personen im Visier der Ermittler.

Darin enthalten sind laufende Verfahren gegen sechs ehemalige Vorstände wegen des Verdachts der Untreue oder Beihilfe zur Untreue. Dazu gehört der ehemalige Finanzvorstand Wolfgang Schäfer. Sie stehen im Verdacht, dem Unternehmen Schaden zugefügt zu haben, weil sie sich nicht ausreichend und frühzeitig um den Dieselskandal gekümmert haben.

Mit den 100 Millionen Euro kommt Conti günstiger davon als erwartet. Im Zuge einer Zeugenbefragung des Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfang Reitzle soll der später vom Fall abgezogene Staatsanwalt Malte Rabe von Kühlewein eine mögliche Strafzahlung von bis zu 250 Millionen Euro in den Raum gestellt haben.

Im Vergleich zu den Geldbußen anderer Zulieferer muss Continental aber vergleichsweise viel zahlen. Auch die Aufarbeitung dürfte erheblich teurer gewesen sein. Konkurrent Bosch war von der Staatsanwaltschaft Stuttgart mit einer Geldstrafe von 90 Millionen Euro belegt worden. ZF Friedrichshafen musste wegen fahrlässiger Verletzung der Aufsichtspflicht durch Verantwortliche 42,5 Millionen Euro zahlen.

Erstpublikation: 25.04.2024, 11:12 Uhr.

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