NACHHALTIGKEIT? NEIN, DANKE! DER MARKT FüR ELEKTROAUTOS WäCHST IN EUROPA NICHT SO SCHNELL, WIE ER SOLLTE – MIT EINER AUSNAHME

Ab 2030 hätte die Zukunft grün sein sollen. Ab dann wollte der schwedische Autohersteller Volvo nur noch Fahrzeuge mit Elektroantrieb herstellen. Das hatte 2021 der damalige Volvo-CEO Hakan Samuelsson versprochen. Doch der Plan hat einen entscheidenden Haken: Es fehlen genügend Käuferinnen und Käufer.

Im September musste Volvo zurückkrebsen. Auch nach 2030 sollen bis zu zehn Prozent der hergestellten Autos Hybridfahrzeuge sein, heisst es in einer Medienmitteilung. Die Nachricht steht symptomatisch für eine Branche im Dilemma.

Zum einen ist da der politische Druck, möglichst schnell möglichst nachhaltig zu werden. Die EU will ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr zulassen. Die Zeit drängt. Doch der Markt für Elektroautos wächst in Europa nicht so schnell, wie er politisch gesehen sollte. Mit einer Ausnahme: Norwegen.

Im August hat Norwegen wieder einmal einen Rekord aufgestellt: 94 Prozent der neu zugelassenen Autos waren elektrisch. Zum Vergleich: In der EU ist nur etwa jedes siebte neu zugelassene Fahrzeug ein Elektroauto. Die Statistik wird angeführt von den nordeuropäischen Ländern, und auch die Schweiz und Deutschland liegen über dem EU-Schnitt. Doch kein anderes Land kommt auch nur annähernd an Norwegen heran.

Wie hat es ausgerechnet ein Land mit langen Distanzen und noch längeren Wintern geschafft, zum Vorreiter in der E-Mobilität zu werden?Drei Dinge, die Norwegen anders – und vielleicht auch besser – macht.

1. Mehr Anreize

Elektroautos sind teuer. Zumindest, wenn man den Kaufpreis mit jenem gewöhnlicher Benziner vergleicht. In den letzten Jahren haben steigende Zinsen die Kosten für Leasing zusätzlich erhöht. Hinzu kommen steigende Strompreise und eine wachsende Inflation als Folge von Russlands Angriff auf die Ukraine.

Elektromobilität wird in Europa von den einzelnen Staaten unterschiedlich stark gefördert. Viele Länder haben staatliche Subventionen in den letzten Jahren gekürzt oder komplett gestrichen. So hat Deutschland den Umweltbonus 2023 ohne Vorwarnung eingestellt, ebenso wie Finnland. Dafür belohnen sie den Kauf eines Elektroautos mit steuerlichen Vorteilen. Dies tun auch die restlichen nordeuropäischen Länder. In der Schweiz werden die Subventionen den einzelnen Kantonen überlassen. Diese fallen allerdings spärlich aus und sind mit denen Norwegens kaum zu vergleichen.

Norwegen ist bei der Förderung konsequenter. Seit den neunziger Jahren wird in Oslo kontinuierlich auf ein Ziel hin gearbeitet: Alle Autos, die 2025 verkauft werden, sollen emissionsfrei sein. Erreicht werden kann das nur, wenn es sich für die Käuferinnen und Käufer auch wirtschaftlich lohnt, ein Elektrofahrzeug zu kaufen. Deshalb setzte Norwegen schon sehr früh auf monetäre Anreize wie eine Steuerbefreiung der emissionsfreien Fahrzeuge. In Norwegen kosten E-Autos weniger als Verbrenner. Überdies profitieren ihre Lenker von kostenlosen Parkplätzen, sie müssen keine Maut zahlen und dürfen die Busspur nutzen oder gratis mit den Fähren fahren.

Die Anreize zeigten Wirkung: Heute machen Elektroautos einen Viertel der Fahrzeuge auf Norwegens Strassen aus. Mit steigendem Anteil werden die Subventionen nach und nach wieder abgebaut. Aber auch heute profitieren Besitzerinnen und Besitzer von emissionsfreien Fahrzeugen von niedrigeren Steuern, günstigerer Maut und Preisnachlässen auf Fährtickets. Im Sommer hat das Parlament zudem Leasing-Anbieter dazu veranlasst, nur noch Elektroautos anzubieten.

2. Eine bessere Infrastruktur

Wie praxistauglich Elektroautos sind, hängt von der vorhandenen Infrastruktur ab. Norwegen ist ein dünnbesiedeltes Land mit langen, kalten Wintern – eigentlich eine ungünstige Kombination, wenn es um elektrisch betriebene Fahrzeuge geht. Doch das Land verfügt über ein gut organisiertes Netz an Lademöglichkeiten. So stehen an allen Hauptstrassen Schnellladestationen zur Verfügung. Zudem gibt es ein Recht darauf, Elektrofahrzeuge in Mehrfamilienhäusern aufzuladen.

In der EU hinkt die Infrastruktur der Marktentwicklung hinterher. In der gesamten Union standen Ende 2023 gut 600 000 öffentliche Ladestationen für 3 Millionen Elektrofahrzeuge zur Verfügung. Das Netz ist jedoch ungleich über die Mitgliedsstaaten verteilt: 61 Prozent dieser Stationen liegen in den Niederlanden, in Frankreich und Deutschland.

Gemessen an der Bevölkerungszahl, führen die Niederlande mit 817 Stationen pro 100 000 Einwohner. An zweiter Stelle rangiert Norwegen mit 447 Stationen. Auch Dänemark (388) und Schweden (348) schneiden vergleichsweise gut ab. Finnland (203), die Schweiz (161) und Deutschland (145) hingegen haben Aufholbedarf.

3. Mit Öl und Gas zur grünen Wende

Der Wandel bringt nicht nur Vorteile, sondern auch neue Probleme mit sich. Eines davon: Kapazitätsengpässe im Stromnetz. Auch in Norwegen beschäftigt dieses Thema. Trotzdem treiben wechselnde Regierungen den Ausbau der E-Mobilität seit den neunziger Jahren kontinuierlich voran.

Während die meiste Energie, die in Elektrofahrzeuge fliesst, aus Wasser- und Windkraft stammt, exportiert Norwegen Öl und Gas in andere Länder. Und es hat nicht vor, aus dem Geschäft auszusteigen. Trotzdem gibt sich Oslo gerne als Klimaschützer. Das mag wie ein Paradox klingen, ist es aber nicht. Die grüne Transformation kostet Geld. Der Wohlstand aus den fossilen Brennstoffen ist mit ein Grund dafür, wieso ausgerechnet Norwegen zum Vorreiter in der nachhaltigeren Mobilität wurde.

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