VOLKSWAGEN-TOCHTER: SO KäMPFT DER AUDI-CHEF IN CHINA UM VERLORENE MARKTANTEILE

Audi kämpft um verlorengegangene Marktanteile. CEO Döllner erklärt, wie er sich gegen die chinesische Konkurrenz durchsetzen will – und warum die Kunden anders ticken als in Europa.

Audi hat in China Marktanteile verloren – und kämpft um seine Position im Premiumsegment. „Wir sehen natürlich, dass relevante Wettbewerber aggressiv in den Markt drängen“, räumt der Chef des Autoherstellers, Gernot Döllner, im Gespräch mit dem Handelsblatt auf der Peking Auto Show ein. Der Vorstandsvorsitzende der VW-Tochter gibt sich aber kämpferisch, verlorenes Terrain bald wiedergutzumachen: „Wir fühlen uns gut aufgestellt."

Dazu überarbeitet Audi die Modellpalette. Die China-Langversion des Q6 e-tron soll den Geschmack der chinesischen Kunden treffen. Audi wird auch „China-spezifische Lösungen für Navigation und assistiertes Fahren anbieten", verspricht Döllner. Sosehr der Audi-Chef auf Elektromobilität setzt, so wenig will er allerdings kurzfristig auf Verbrennermotoren und die in China besonders beliebte Plug-in-Hybrid-Technik verzichten.

Audi plant, gemeinsam mit dem Shanghaier Joint-Venture-Partner SAIC Elektroautos zu bauen. Allerdings seien die Verträge mit dem chinesischen Unternehmen noch nicht unterschrieben, mit Details hält sich Döllner öffentlich zurück. Nur so viel: „Wir sind auf einem sehr guten Weg und haben uns in der Zusammenarbeit erstklassig zusammengefunden." Für den Export sind diese Autos allerdings nicht bestimmt: „Was wir in China machen, machen wir für den chinesischen Markt."

Allerdings bleibt das China-Geschäft nicht frei von Risiken angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen zwischen China, den USA und Europa – auch dazu äußert sich Döllner im Gespräch. Die Situation werde immer komplexer.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Döllner, Sie sind zur Automesse in Peking. Hat sich auf Chinas Straßen seit Ihrem letzten Besuch etwas verändert, das Sie überrascht? Meinen Aha-Moment hatte ich vor über einem Jahr noch in meiner vorherigen Position, als ich als Leiter Strategie im VW-Konzern mit Oliver Blume als erste Delegation nach der Pandemie nach China gereist bin. Ich glaube, da waren wir alle überrascht, wie schnell und wie vielfältig sich der Wettbewerb hier entwickelt.

Sind Sie zufrieden mit der Anzahl der Audis, die Sie in Peking gesehen haben? Generell gilt: Als Premiummarke geht es uns nicht in erster Linie ums reine Volumen. Aber tatsächlich habe ich auf meinen Fahrten hier viele Audis gesehen. Das freut mich natürlich sehr.

Audi hat in China Marktanteile verloren und versucht, an erfolgreichere Zeiten anzuknüpfen. Gelingt das? Wir befinden uns in einem sehr dynamischen und herausfordernden Markt mit ernst zu nehmenden Wettbewerbern. Aber Wettbewerb ist gut, er bringt Innovationen hervor. Das ist sinnvoll für die Kunden – wir fühlen uns gut aufgestellt. Wir können aus einer Position der Stärke heraus agieren.

Wir können aus einer Position der Stärke heraus agieren.

Chinesische Wettbewerber wie Nio oder Zeekr drängen zunehmend ins Premiumsegment. Zudem sinken die Preise – und damit die Gewinne. Das muss Ihnen doch Sorgen machen. Sorgen bereitet mir das zunächst nicht. Schließlich wollen wir uns keine Marktanteile erkaufen. Aber wir sehen natürlich, dass relevante Wettbewerber aggressiv in den Markt drängen.

Eine Zeitlang gab es viel Kritik an Audis Modellpalette für China. Jetzt haben Sie hier die China-Langversion des Q6 e-tron vorgestellt, der auf der gemeinsam mit Porsche entwickelten Elektroplattform PPE basiert ...

... ja, ein China-spezifisches Fahrzeug auf dieser Plattform, das in Sachen Effizienz, Reichweite und Ladegeschwindigkeit absolut wettbewerbsfähig ist. Wir werden auch China-spezifische Lösungen für Navigation und assistiertes Fahren anbieten. In diesen Feldern haben wir bereits unsere Hausaufgaben gemacht.

Mit einem sprechenden Avatar im Front-Display, den offenbar besonders die chinesischen Kunden mögen.Wir haben eine erste Stufe von Avataren. Das ist ein Anfang, aber wir haben noch tolle Ideen, wie es weitergehen kann.

Früher haben europäische Autohersteller über so etwas gelacht.Ich habe nie darüber gelacht. Das ist eine Anforderung des chinesischen Marktes, die wir erfüllen. Die chinesische Gesellschaft – und ich war sehr oft hier im Land – ist einfach anders. Sie hat andere Vorlieben und andere Trends. Das nehmen wir ernst, und in diesen Bereichen machen wir noch mehr Tempo.

Damit reagieren Sie auf einen Trend. Aber was definieren Sie für den chinesischen Markt neu - womit ist Audi Trendsetter?Unser Anspruch ist nach wie vor „Vorsprung durch Technik“. Deshalb arbeiten wir sehr intensiv an unseren Innovationen.

Wie steht es um den Antrieb? In China gibt es eine rasant steigende Nachfrage nach batteriebetriebenen Fahrzeugen.Mit unserem Dreiklang aus Verbrennungsmotoren, Plug-in-Hybriden und reinen Elektroautos sind wir im Wettbewerb sehr gut aufgestellt.

Interessant ist, dass der in Deutschland totgesagte Plug-in-Hybrid in China sehr vital ist. Wir sehen jedenfalls, dass Plug-in-Hybride noch einmal für die nächsten zehn, 15 Jahre eine relevante Brückentechnologie in China bleiben werden. Dafür sind wir flexibel aufgestellt.

Wie lange wird es in China noch Verbrennungsmotoren geben?Diese Frage kann ich heute nicht abschließend beantworten. Ich kann nur sagen, dass wir in den nächsten zwei Jahren unser gesamtes Verbrennerportfolio noch einmal neu auflegen werden. Wie lange wir diese Modelle dann anbieten, hängt von der Marktentwicklung und den Kundenwünschen ab.

Trotzdem würde mich Ihre Vision interessieren: Bleibt das Auto im Premiumsegment auf lange Sicht ein Verbrenner? Das Ziel von Audi ist klar: zukünftig ein rein elektrisches Portfolio anzubieten. Die Zukunft des Automobils ist elektrisch. Wie lange die Transformation dauert, wird sich zeigen. Vielleicht gibt es bestimmte Regionen oder Klimazonen, in denen der Verbrennungsmotor länger bleibt. Aber sicher nicht in der Breite.

Das sind absolut ernst zu nehmende Wettbewerber mit sehr guten, teilweise begeisternden Fahrzeugen.

Dafür setzen Sie auf zwei chinesische Joint Ventures, um auf dem E-Auto-Markt nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten. Wie weit sind die Verhandlungen mit SAIC?Wir sprechen darüber, wie wir gemeinsam die Zukunft gestalten wollen – aber die Verträge sind bislang nicht unterschrieben. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen.

Aber könnte es sein, dass Sie künftig mit SAIC Elektroautos bauen, die Sie auch nach Europa exportieren? Was wir in China machen, machen wir für den chinesischen Markt.

Wie weit sind Sie mit der gemeinsamen Entwicklung neuer Modelle?Wir sind auf einem sehr guten Weg und haben uns in der Zusammenarbeit erstklassig zusammengefunden. Mehr kann ich dazu leider noch nicht sagen.

Sie bauen mit Ihrem zweiten chinesischen Partner FAW ein neues Werk in Changchun, in dem Sie ab Ende des Jahres bis zu 150.000 vollelektrische Fahrzeuge der A6- und Q6-Familie e-trons produzieren wollen. Warum ein neues Werk, wo doch die chinesischen Werke des Volkswagen-Konzerns bei Weitem nicht ausgelastet sind?Die Audi FAW NEV Company ist unser erstes Werk für vollelektrische Fahrzeuge in China und ist ein wichtiger Meilenstein für unsere Elektrifizierungsstrategie. Wir sehen eine deutlich steigende Nachfrage nach E-Fahrzeugen in China, somit war dieses Projekt genau die richtige Investition und entspricht unserem Ansatz „In China for China“.

In China sind Technologieunternehmen wie Huawei und Xiaomi ins Autogeschäft eingestiegen. Was können die, was Sie nicht können?Das sind absolut ernst zu nehmende Wettbewerber mit sehr guten, teilweise begeisternden Fahrzeugen. Wir gehen den Weg aus einer anderen Richtung – mit einer tief verwurzelten Kundenbasis und einem großen Händlernetz. Aber natürlich sind wir intensiv dabei, das Thema „Software Defined Vehicle“ weiterzuentwickeln.

Diese Tech-Unternehmen setzen auch auf ihr großes Händlernetz – und stellen die Autos einfach in ihren Smartphone-Shops aus. Wie wollen Sie diesem Trend begegnen?Wir verfügen in China über ein über Jahre gewachsenes, landesweites Händlernetz, das wir kontinuierlich mit innovativen Handels- und Vertriebskonzepten ergänzen.

Das sind chinesische Unternehmen mit hervorragenden Kontakten zur politischen Elite. Die hatte Audi früher auch – sogar die Dienstwagen der Regierung waren von Audi. Was ist von diesen Kontakten geblieben?Durch unsere lange Historie in China fühlen wir uns dem Land und unseren Partnerschaften sehr verbunden. Da ist über die Jahre etwas gewachsen, was wir für sehr tragfähig halten.

Auch über Krisen hinweg? Die Spannungen zwischen China und den USA und auch Europa nehmen zu. Was passiert mit Audi in China, wenn die Volksrepublik Taiwan angreift? Das ist eine Frage, die weit über die Audi AG hinausgeht.

Was meinen Sie damit? Richtig ist, dass die geopolitische Situation immer komplexer wird. Umso wichtiger ist es, dass wir uns für freien und fairen Handel einsetzen, denn er ist die Basis für Wachstum und Wohlstand.

Insgesamt würde ich mir für Deutschland ein klares Zielbild wünschen.

Die VW-Spitze hat in Peking die niedrigen Energiepreise und auch die politischen Rahmenbedingungen für die Entwicklung des E-Auto-Markts in China gelobt. Sehen Sie das auch so? Wir sehen positive Signale. Die niedrigen Energiepreise bringen den E-Auto-Markt voran.

In Deutschland verlangsamt sich der Trend zum E-Auto hingegen. Was wünschen Sie sich von der Bundesregierung?Insgesamt würde ich mir für Deutschland ein klares Zielbild für Innovationen und bezahlbare und nachhaltige Energie wünschen, das über eine Legislaturperiode hinausgeht.

Einige Wirtschaftsverbände finden, dass der Bundeskanzler zu wenig für den Standort Deutschland tut. Teilen Sie diese Kritik?Wir haben gemeinsame Herausforderungen: wettbewerbsfähige Energiepreise, Bürokratieabbau, den Ausbau von Ladeinfrastruktur und erneuerbaren Energien. Das sind die Standortbedingungen, die es zu verbessern gilt, damit die Autoindustrie in Deutschland weiter erfolgreich arbeiten kann.

Herr Döllner, vielen Dank für das Interview.

2024-04-29T08:20:45Z dg43tfdfdgfd